Wer kennt den Spreewaldmarathon nicht? Oder den Frostwiesenlauf, den Schneeglöckchenlauf, Weinlauf oder, oder, oder… . Bei der größten Sportveranstaltung im Land Brandenburg, dem Spreewaldmarathon, waren 2025 mehr als 12.500 aktive Sportler am Start. Mit den Disziplinen Laufen, Radfahren, Skaten, Wandern, Walken, Run & Bike, Longboard, Paddeln, Stand Up Paddling, Tanzen und Feiern in den angebotenen 50 Wettbewerben bot dieses Sportevent eine Vielfalt, die deutschlandweit und vielleicht europaweit ihresgleichen sucht. Doch wer steht hinter diesem Event, was zwar einzigartig, aber nicht das einzige mit seiner Handschrift in der Lausitz ist? Hans-Joachim Weidner, 67 Jahre alt, wohnt im Südbrandenburger Örtchen Hohenbocka, nur wenige Meter von der Landesgrenze zu Sachsen entfernt. Er ist Gesamtleiter des Spreewaldmarathons und Vorstandsvorsitzender des Lausitzer-Sportevents e. V., zu dem auch Lausitz-Timing gehört. Er hat uns im Interview verraten, was ihn umtreibt und was er sich wünscht.

Herr Weidner, würden Sie uns bitte ein wenig von sich erzählen – woher Sie kommen und wie Ihr Lebensweg Sie in die Lausitz geführt hat?

Ich bin ein waschechter Lausitzer Junge, geboren im Lausitzer Seenland und der Region von Herzen verbunden. Ich habe Sport studiert und nach der politischen Wende 1990 für 12 Jahre in den alten Bundesländern im Bereich Pharmazie gearbeitet, jedoch meinen Lebensmittelpunkt in der Lausitz nie aufgegeben.

Wie sind Sie ursprünglich zum Sport gekommen? War das schon in Ihrer Kindheit ein wichtiger Teil Ihres Lebens?

1966 wurde im Ort Schipkau zum Kinderradrennen „Die kleine Friedensfahrt“ gerufen. Da bin ich hin und mit 9 Jahren mein erstes Radrennen gefahren und viele Jahre beim Radsport geblieben. Schon mit 10 Jahren habe ich täglich auf dem Rad gesessen und es hat riesig Spaß gemacht. Bei jedem Radtraining, zumeist mit älteren Sportlern, gab es an jedem Ortsschild einen Spurt. Wir sind selbst bei Kälte und Glatteis geradelt und haben keine Trainingseinheit versäumt. Im Winter sind wir im Stockdunkeln 10 km zum Hallentraining nach Senftenberg geradelt und waren 22.00 Uhr wieder zurück im Elternhaus. Es war eine andere Zeit, nicht mit heute zu vergleichen. Aber genau diese Erfahrung möchte ich nicht missen und die in den Kinderjahren erworbene Disziplin lässt sich nicht ablegen und prägt mein tägliches Tun. Spätestens ab 1975 wurde ein begeisterter, recht flotter Läufer aus mir. Früher wollte ich gern Olympiasieger werden. Daraus ist nichts geworden. So habe ich mich um die Organisation des Sports für andere bemüht. Meine erste Veranstaltung organisierte ich am 23.12.1978. Bisher sind daraus 500 Events geworden, mit über 500.000 (halbe Million) Teilnehmern, welche bisher unter „meiner“ Obhut Sport getrieben haben.

Treiben Sie selbst heute noch aktiv Sport, und wenn ja, welche Disziplinen liegen Ihnen besonders am Herzen?

Früh am Morgen lege ich gegen 5.00 Uhr mein Tagesziel fest. Darin ist immer etwas sportliche Bewegung enthalten, nur kommt leider des Öfteren etwas dazwischen. Walken, Wandern, Radfahren, Dehnungen stehen abwechselnd auf dem Programm. Wenn es meine Beine zulassen würden, dann würde ich jetzt noch leidenschaftlich um die Wette rennen.

Die Lausitz als Heimat hat Sie geprägt – ist es auch ein Antrieb, die Region mit Ihren Events bekannter zu machen?

Ich mag die vielen Volkssportläufe in Sachsen, Brandenburg und weiter weg. Da mir mit einer Teilnahme daran nun Grenzen gesetzt sind, setze ich meine Freizeit und Energie auf die Organisation von möglichst besonderen Events. Die Lausitz hat sehr interessante Ecken und vieles an Ausflugszielen zu bieten. Mit unseren Veranstaltungen in der Lausitz wollen wir selbstverständlich auch neugierig machen und viele Sportler, in die die Lausitz locken.


Wie kam es zur Gründung von Lausitz-Timing? Gab es einen Schlüsselmoment, an dem Sie entschieden haben, das Zeitmessen professionell aufzubauen?


Als Teilnehmer von Läufen an fast jedem Wochenende gab es eine Zeit, wo bei jeder zweiten Veranstaltung die Zeiterfassung im Ziel ewig lange dauerte. Ab 2003 habe ich den Spreewaldmarathon als Gesamtleiter organisiert. Die ersten 3 Jahre waren die „professionellen“ Zeitnehmer mit den Massen an Startern überfordert. Mit Freunden haben wir uns dann entschlossen die Zeiterfassung und Auswertung selbst vorzunehmen. Wir haben in beste Technik investiert und nachdem diese bei uns hervorragend funktionierte, konnten wir uns vor Anfragen nicht retten und haben als Verein Personal zur Bewältigung dieser Aufgaben eingestellt. Derzeit sind wir in der glücklichen Lage und können uns die Zeitmessungen, die wir machen wollen, aussuchen. Unsere weiteren Kapazitäten sind hier sehr begrenzt, denn Mitstreiter zu finden, die fast jedes Wochenende arbeiten wollen ist nahezu unmöglich.

17. Spreewald Marathon in Burg 42,195 km Run & Bike Marathon , 42,195 km Marathon-Lauf, 21,1 km Burger Halbmarathon-Lauf sowie 10 km Antenne Brandenburg Lauf und 10 km Walken am Sonntag in Burg (Spreewald) Hans-Joachim Weidner


Welche Hürden mussten Sie am Anfang überwinden – organisatorisch, technisch oder auch persönlich?


Eigentlich gar keine, es ging sofort von Null auf 100. Sicherlich mussten wir Erfahrung sammeln, es gab schon so manche Veranstaltung bei denen die Sportler aus allen 4 Himmelsrichtungen ins Ziel kamen, weil der Veranstalter zu wenig Streckenhelfer hatte.
Als Zeitnehmer bist du im Ziel der erste Ansprechpartner und fängst dann den Unwillen der Sportler ab. Damit muss man Lernen zurecht zu kommen und sich hier und da von Veranstaltern trennen, wenn die Strecken- und Zielorganisation nicht funktioniert.


Gibt es ein bestimmtes Motto oder eine Philosophie, die Sie mit Ihrem Team verfolgen, wenn es um Events und Sportbegeisterung geht?

Mein Team und ich haben genaue Vorstellungen von der perfekten Sportveranstaltung. So könnte der Spreewald-Marathon auch 20.000 Sportler vertragen. So eine sportliche Vielfalt ist kaum zu übertreffen. Nur reine Läufe oder Radrennen organisieren können viele, aber an so etwas traut sich kaum jemand heran. Es ist mit viel Arbeit verbunden. Dies gelingt aber nur mit der Schaffung von wunderschönen Emotionen, vor, während und nach der Veranstaltung, am Start und am Ziel. Um dies aber umzusetzen, wird Geld benötigt, welches die eigentlichen Profiteure, wie der Tourismus, nicht bereit ist zu geben bzw. nicht gewillt ist sich auch nur annähernd an den Kosten so eines Events zu beteiligen.
Chancen sehe ich noch einige.

Der Spreewald Marathon ist weit über die Region hinaus bekannt. Wie entstand die Idee, dieses Event ins Leben zu rufen?

2002 kam eine meiner Töchter nicht ganz gesund auf die Welt. Ich musste mich entscheiden, zwischen Arbeit in der Ferne oder kümmern in der Heimat. Die Entscheidung fiel leicht und immer, wenn das Töchterchen schlief, gab es viel freie Zeit. Als leidenschaftliche Läuferin kam dann meine Frau auf die Idee, wieso organisieren wir denn keinen Marathon, zwischen Berlin und Dresden gibt es doch keinen. 2002 begannen dann die ersten Vorbereitungen zum Spreewaldmarathon mit einem völlig neuen herausfordernden Konzept mit Start in 3 Landkreisen auf 50 Strecken und in 10 Disziplinen. Wir hatten nicht ansatzweise im Traum mit diesem Erfolg gerechnet.


Der Frostwiesenlauf hat einen ganz besonderen Charakter – was macht ihn für Sie persönlich einzigartig?

Als Trainingslauf im Winter, ohne Zeitmessung und Wettkampfcharakter konzipiert, sind wir mit 2.000 Teilnehmern an unsere Grenzen gekommen. Sich zu treffen, sportlich gemeinsam tätig zu sein, Spaß zu haben, dazu noch in einer schönen Region, das ist Ziel des Frostwiesenlaufes.

Welches Ihrer Events liegt Ihnen emotional am meisten am Herzen – und warum gerade dieses?

Der Schneeglöckchen-Lauf in Ortrand mit seinen unterschiedlich-farbigen Glockenmedaillen ist schon eine Pflichtteilnahme wert. Aber der Weinlauf mit seinen fünf Weinstellen und 5x Livemusik ist etwas völlig anderes. Hierbei werden der Sport und das Leben gefeiert.


Gibt es ein Erlebnis oder eine Anekdote von einem Event, das Sie nie vergessen werden?

Der 10. Spreewaldmarathon mit seinen erstmalig über 10.000 Teilnehmern war sehr emotional. Oder 2006 gab es während des Spreewaldmarathons die Nachricht von meiner Frau, dass unser Sohn Janek unterwegs ist. Wunderbare Veranstaltungen waren auch die Panoramatour in der Sächsischen Schweiz, der Hallenmarathon in Senftenberg, der Lauf durch die Bucksche Schweiz in Hohenbocka und die Spreewald-Querung. Alle diese Events dürfen wir leider wegen Befindlichkeiten einzelner Personen oder neuer strengerer Gesetze und Naturschutzauflagen nicht mehr durchführen.


Worauf sind Sie bei der Entwicklung Ihrer Veranstaltungen besonders stolz?

Stolz, darf man sicherlich auf die über 500.000 Teilnehmer sein, die seit 1976 bei 500 von mir organisierten Veranstaltungen bisher am Start waren. Eine halbe Million Sportler! Das ist eine Zahl.

Wer unterstützt Sie bei der Durchführung all dieser Veranstaltungen? Wie groß ist das Team, ohne das ein solches Pensum gar nicht möglich wäre?

Wir haben 5 Leitwölfe, 25 ständige Mitstreiter und bis zu 550 Helfer aus der Region zwischen Spreewald und Dresden.

Der Chef der Staatskanzlei, Staatssekretär Thomas Kralinski, hat am 22. April 2018 den Vater und Wegbereiter des Spreewald-Marathons, Hans-Joachim Weidner, als 120. „Ehrenamtler des Monats" ausgezeichnet. Der 60-Jährige aus dem südbrandenburgischen Hohenbocka ist Gründungsmitglied und Vereinsvorsitzender des Spreewald-Marathon e.V. und hat aus dem Breitensportereignis eine Erfolgsgeschichte gemacht. Bei der Auszeichnung Weidners in Burg sagte Kralinski:
„Mit den großen Sportereignissen in Brandenburg ist der Name Hans-Joachim Weidner untrennbar verbunden. Seine Paradedisziplin ist der Spreewald-Marathon mit seinen stetig wachsenden Teilnehmerzahlen und -rekorden. Durch großartige logistische Leistung und beeindruckendes Engagement ist es Weidner und seinen Mitstreitern gelungen, den Spreewald-Marathon zu einem Saisonhöhepunkt für Athletinnen und Athleten aus dem In- und Ausland zu machen. Weidner erhält die Auszeichnung stellvertretend für die vielen Freiwilligen, die das Event jedes Jahr aufs Neue zu einem Erfolg machen."
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (r.) empfängt Hans-Joachim Weidner aus Hohenbocka (Brandenburg, M.) anlässlich eines Neujahrsempfangs im Schloss Bellevue (l. Elke Büdenbender, Ehefrau des Bundespräsidenten).


Wie wichtig ist die Zusammenarbeit mit der regionalen Politik, Vereinen und Sponsoren?

Ehrlich, meine Erfahrung besagt, auf die Unterstützung von Politik kann und darf man in der Organisation von Sportveranstaltungen nicht vertrauen. In der Zusammenarbeit mit Politik und Ämtern gibt es viel zu viel unterschiedliche Befindlichkeiten und Meinungsänderungen, bis hin zu unnötigen Gängeleien. Es sind oftmals nur einzelne „Beamte“, die leider ihre Serviceaufgabe gegenüber dem Sport nicht verstanden haben und somit Nerven und Zeit rauben. Ohne zuverlässig helfenden Vereinen gibt es kein Erfolg, also sind diese besonders wichtig! Da viele Vereine bei uns helfen, helfen wir dann selbstverständlich auch bei deren Veranstaltungen, zum Beispiel mit kostenfreien Zeitnahmen. Somit geht allerdings so manches weitere Wochenende bei der Hilfe drauf.


Was motiviert Sie, jedes Jahr aufs Neue diese Mammutaufgabe auf sich zu nehmen?

Wahrscheinlich der Erfolg der Veranstaltungen, 2025 waren alle ausgebucht und die vielen Mails von Sportler, welche sich auf die nächste Veranstaltung freuen. Die Anerkennung für die geleistete Arbeit war für mich immer der Motor, um den immensen Arbeitsaufwand immer und immer wieder zu leisten. Ich hätte auch nie gedacht, dass der Spreewald-Marathon einmal über 14.000 Sportler am Start hat.Diese Arbeit, die Gespräche und Telefonate mit den Sportlern und Helfern macht mir immens viel Spaß.

Ausblick & Zukunft – Gibt es noch Ideen für neue Events oder Projekte, die Sie in den nächsten Jahren umsetzen möchten?

Ideen gibt es immer noch reichlich, nur reichen die 12 Monate des Jahres nicht aus, um noch mehr Arbeit zu bewältigen. Es gilt auch auf die eigene Gesundheit zu achten. Wir versuchen neue Ideen in unsere bisherigen Veranstaltungen einzubauen. So etwas wie den Weinlauf könnte man gern auch in einem anderen Ort machen. Vielleicht gibt es einen interessierten Bürgermeister.


Sie haben bereits viele Klassiker etabliert. Welche Zukunft wünschen Sie sich für diese Veranstaltungen?

Zuallererst sehr zufriedene Teilnehmer. Für alle Veranstaltungen und Vereinsvorstände wäre es sicherlich motivierender, wenn sich die Ämter größtenteils aus den Veranstaltungen heraushalten würden. Der viele Papierkrieg ist oftmals unnötig, überzogen und wäre eine gute Sache zum Bürokratieabbau und würde die Ämter auch entlasten. Wozu, zum Beispiel, benötigt eine Untere Fischereibehörde neuerdings alle Lauf- und Radstrecken zur Begutachtung? Unsere Sportler starten doch ohne Angel oder Kescher.

Haben Sie schon über Ihre eigene Nachfolge nachgedacht – gibt es jemanden, der die Events weiterführen könnte, wenn Sie in den Ruhestand gehen?

Es wäre schon toll, wenn die Events oder wenigstens ein Teil davon auch ohne mich weitergeführt werden. Mit 70 wollte ich nicht mehr in der ersten Reihe stehen. Den Verrückten zu finden, der als Häuptling weitermacht – ich sehe da Hoffnung. Doch darf man so viel Arbeit einem einzigen Nachfolger aufbürden? Auch könnte ich mir vorstellen, dass Profis wie die Laufszene Events GmbH oder Berliner Organisatoren einsteigen.


Was wünschen Sie sich für die sportliche Zukunft der Lausitz im Allgemeinen?

Sport – egal in welcher Art gehört an die Spitze der Gesellschaft. Corona hat leider etwas anderes gezeigt. Wir und jeder Laufveranstalter betreiben Gesundheitsvorsorge in höchster Qualität. In diesem Bezug wäre es nur fair, wenn die Politik, die Krankenkassen verpflichten würde, sich finanziell angemessen an jeder Breitensportveranstaltung zu beteiligen. Interessanter und vielfältiger Sport ist wichtig für die Lebensqualität in der Lausitz.

Und zum Abschluss: Wenn Sie in einem Satz zusammenfassen müssten,
warum Menschen unbedingt einmal bei einem Ihrer Events dabei sein sollten – wie würde der lauten?

La vita è bella! – Das Leben ist schön! – Besonders bei uns!